top of page

Rheinische Mission

Hier ganz um die Ecke befand sich der Gründungsort des Elberfelder Missionsvereins. Was war das Ziel von Missionen? Und was machten sie? Die Wuppertaler Missionen in Elberfeld und Barmen, die Teil der Rheinischen Mission waren, gründeten ein afrikanisches Wuppert(h)al. Dort, wo kurz darauf eine deutsche Kolonie entstand. Zufall? Oder Mitverantwortung? 

kachel-7.jpg

Geburtsstunde der Rheinischen Mission

„Die geselligen Unterhaltungen drehten sich meist um kirchliche Vorgänge oder um die Wahrheiten der heiligen Schrift. […] ein lebhaftes Bedürfnis nach Herzensergießung und Gedankenaustausch führte die Erweckten täglich nach getaner Arbeit zu unzähligen trauten Brüderkreisen zusammen“.

So fasste ein Zeitzeuge das Leben im Wuppertal der 1820er Jahre zusammen. Die Kirche hatte im Leben der Menschen im Tal der Wupper einen hohen Stellenwert. Die Menschen im Bergischen Land glaubten an zweierlei: Die Bibel und ihren wirtschaftlichen Erfolg. Daher ist es kein Wunder, dass Johannes Ball, der Inhaber eines Ledergeschäfts am Elberfelder Heubruch, in der Nähe des heutigen Kerstenplatzes, 1799 zum Initiator des Elberfelder Missionsvereins wurde.

 

Der Elberfelder Missionsverein war eine Gruppe von zwölf Leuten, die sich trafen, um Geld für Missionen zu sammeln und in einer kleinen Zeitschrift von der Arbeit einer Mission zu berichten. Diese Geschichten motivierten Leute aus der Nachbarstadt Barmen, ebenfalls einen Verein für Missionen zu gründen. Der Barmer Verein sammelte auch Geld, war dabei aber cleverer. Sie holten wichtige Leute aus der Stadt ins Boot, die ihnen halfen, mehr Spenden zu bekommen. Sie arbeiteten mit den Kirchen zusammen und überzeugten Pfarrer, sie zu unterstützen. Durch den Erfolg beflügelt, wollte man nun nicht nur für andere Missionen Gelder sammeln, sondern selbst aktiv werden. Die Elberfelder und die Barmer Mission schlossen sich 1828 zur Rheinischen Mission zusammen. 

Ein Wuppert(h)al in Südafrika 

Im Jahr 1828 entsandte die Rheinische Mission auch die ersten vier Missionare nach Südafrika. Die erste Niederlassung der Rheinischen Mission wurde 1830 gegründet und Wupperthal genannt. Damit erhielt das südafrikanische Wupperthal seinen Namen exakt 100 Jahre vor unserem Wuppertal: Offiziell bekam die Stadt im Bergischen Land ihren Namen erst am 25. Januar 1930.

Die deutsche Kolonie Deutsch-Südwestafrika

Von Wupperthal ausgehend zogen die Missionare weiter nach Nordwesten. Das Gebiet, welches sie missionierten, sollte später, im Jahr 1885, zur deutschen Kolonie werden. Zuvor hatte ein deutscher Kaufmann aus Bremen, Adolf Lüderitz, die Bucht um den Hafen Angra Pequena aufgekauft, um diesen als Handelsstützpunkt zu nutzen. Die Bucht nannte er Lüderitzbucht. 

mission-afrika.png
mission-kongo.png

Nach der sogenannten Kongokonferenz in Berlin wurde das Gebiet ein Schutzgebiet des Deutschen Reiches, genannt Deutsch-Südwestafrika. Die einheimische Bevölkerung war an dieser Entscheidung nicht beteiligt. Die deutsche Besatzung weitete ihren Einfluss im Südwesten Afrikas in den kommenden Jahren deutlich aus. Das Gebiet, welches sie schlussendlich verwalteten, war fast anderthalb mal so groß wie das Deutsche Reich. 

Was geschah auf der Kongokonferenz und warum ist sie bis heute so prägend für Afrika? Hör rein und finde mehr heraus!

00:00 / 01:52

Der Völkermord an Ovaherero und Nama

In den Jahren 1904 bis 1908 kam es zum traurigen Höhepunkt der brutalen Gewalt der deutschen Besatzer*innen in Deutsch-Südwestafrika: Seit der Gründung der Kolonie kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, da sich die lokale Bevölkerung gegen die Fremdherrschaft und die Menschenrechtsverletzungen zur Wehr setzte. Auf Befehl des Generalleutnants Lothar von Trotha setzte ab 1904 ein Krieg ein, welcher die Vernichtung der beiden Volksgruppen Ovaherero und Nama zum Ziel hatte. 

Heute wird geschätzt, dass bis zu 100.000 Menschen durch die deutschen Truppen ums Leben kamen. 80% der Ovaherero und 50% der Nama wurden ermordet, verdursteten in der Omaheke-Wüste oder starben in Konzentrationslagern. Solch ein Töten, welches mit dem Ziel begangen wird, eine Volksgruppe auszulöschen, wird als Genozid oder als Völkermord, bezeichnet. Der Genozid an den Ovaherero und Nama gilt als der erste des 20. Jahrhunderts. Es dauerte bis zum Jahr 2015, dass die heutige Bundesrepublik Deutschland den Genozid als einen solchen anerkannte. 

Das Aussöhnungsabkommen, welches daraufhin 2021 beschlossen wurde, erntete viel Kritik: Wieder waren Vertreter*innen von Ovaherero und Nama nicht ausreichend am Prozess beteiligt. Zum aktuellen Zeitpunkt ist das Abkommen noch nicht umgesetzt worden (Stand August 2023). 

Missionsgesellschaften – Wegbereiter des deutschen Kolonialismus?

Welche Verantwortung trugen Missionsgesellschaften wie die Rheinische Mission für die Ausbreitung des deutschen Kolonialismus? Fest steht: Als Adolf Lüderitz 1883 im heutigen Namibia anlandete, war die Rheinische Mission bereits 50 Jahre in Südwestafrika. Auch wenn man sich seitens der Missionen darum bemühte, eine Trennung zwischen dem kirchlichen Auftrag, der Mission, und der wirtschaftlichen wie politischen Entwicklung des Kolonialismus aufrechtzuerhalten, lässt sich nicht leugnen, dass diese beiden Entwicklungen parallel verliefen und miteinander verzweigt waren. Denn als Vermittler und Übersetzer traten Missionare aktiv in den Dienst eines wirtschaftlich und politisch motivierten Kolonialismus und machten sich damit zum Teil des kolonialen Systems. 

​

Auch ist es sicherlich kein Zufall, dass die Missionsversuche bis zur Gründung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1884 oftmals vor dem Scheitern standen, sich danach aber große Erfolge einstellten. Spätestens mit dem Beginn der Mission in Neuguinea, die auf Wunsch der Reichsregierung ab 1887 erfolgte, war jeder Versuch einer Trennung zwischen Kolonie und Mission dahin. Die Rheinische Mission war zu einer Kolonialmission geworden, die sich politisch hatte einspannen lassen.

Missionsarbeit im Wuppertal von heute

In Wuppertal wurde die Rheinische Mission 1971 zum Teil der Missionsvereinigung der Vereinten Evangelischen Mission. Diese ist heute in Barmen in der Rudolfstraße zu finden. Auf der Hardt, in der Missionsstraße 9, betreibt der Verein ein Missionsmuseum. Dort werden die während der Missionszeit gesammelten Kulturgüter aus ehemals missionierten Ländern ausgestellt. Ein problematisches Konzept: Die enge Beziehung zwischen Mission und Kolonisierung gerät so in Vergessenheit. Auch wissen wir nicht genau, unter welchen Umständen die Missionar*innen die Gegenstände erhielten. 

 

Wie geht die Evangelische Kirche heute mit ihrer Mitverantwortung für die deutschen Verbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika um? 

00:00 / 01:54

Weitergedacht…

Noch heute tragen viele Orte in Namibia Namen, die aus der deutschen Kolonialzeit stammen. So auch die Lüderitzbucht. Was denkst du darüber? Wäre es besser, die Namen zu ändern? 

​

Was denkst du darüber, dass es in Wuppertal ein Museum gibt, in welchem Gegenstände ausgestellt werden, die aus ganz anderen Erdteilen stammen? Kannst du dir andere Wege vorstellen, um über andere Kulturen zu lernen?

bottom of page