Familie von der Heydt
Das Von der Heydt-Museum ist das Wuppertaler Kunstmuseum, welches sich mit seiner umfangreichen Sammlung über die Grenzen der Stadt hinaus einen Namen gemacht hat. Apropos Namen: Den hat das Museum von August Freiherr von der Heydt und seinem Sohn, Eduard von der Heydt. Dieser schenkte dem Museum 1961 seine Sammlung und sein Vermögen. Daraufhin wurde das städtische Museum in Von der Heydt-Museum umbenannt. Wer war diese Familie Von der Heydt eigentlich?
Kolonialwarenläden
In der Elberfelder Innenstadt reiht sich zwar ein Geschäft an das nächste, ins Von der Heydt-Museum kommen die wenigsten aber zum Shoppen, eher zum Kunst gucken (außer die, die den kleinen, lohnenswerten Museumsshop kennen – schaut mal rein!). Die Ursprünge des Von der Heydt-Museums haben aber mehr mit Shopping zu tun, als man denken könnte.
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Bevor nämlich die Familie Von der Heydt mit einem eigenen Bankgeschäft, dem Bankhaus von der Heydt-Kersten & Söhne, Geld verdienen und Kunst kaufen konnte, die noch bis heute hier zu bestaunen ist, war es ein Laden für “Leinen, Garn und Kolonialwaren„. Dieser befand sich an dem Platz, der heute Kerstenplatz heißt, denn gegründet wurde der Kolonialwarenladen im Jahr 1722 von Conrad Kersten.
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Solche Kolonialwarenläden waren damals eine Neuheit. Dort wurden Waren des täglichen Bedarfs und Luxusprodukte verkauft, die aus weit entfernten Ländern nach Europa gebracht wurden. Viele dieser Länder waren Kolonien. Die geringe Entlohnung, die günstigen Produktionsbedingungen und die geringen Einfuhrzölle aus den eigenen Kolonien machten es möglich, dass die Produkte aus Übersee günstiger wurden.
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Den Handel ermöglichten Kaufleute, die schon seit Beginn des 16. Jahrhunderts auf allen Weltmeeren unterwegs waren, um Waren einzukaufen. Sie tauschten in Europa produzierte Waren, z.B. Textilien, Branntwein, Waffen und Schießpulver gegen lokale Rohstoffe. Fair ging dieser Handel oft nicht zu: Die weißen Europäer fühlten sich der lokalen Bevölkerung gegenüber überlegen und nutzten ihre technologischen Vorteile auf unfaire Weise aus.
Und wo geht ihr heute einkaufen? In den Kolonialwarenladen wohl kaum. Aber vielleicht in einen EDEKA? Hört hier, was es mit dem Namen auf sich hat und warum auch das heutige Wirtschaftssystem noch kolonial geprägt ist.
Quiz Kolonialwarenladen
Finanzielle Unterstützung des Kolonialismus aus Wuppertal
Aus den Handelsbüchern der Familie Von der Heydt wissen wir, dass sie noch bis mindestens 1810 mit Kolonialwaren handelten. Eigentlich gingen sie zu diesem Zeitpunkt aber schon einem anderen Geschäft nach: Der ehemalige Kolonialwarenladen war zur Bank geworden. Sie verwalteten und verliehen Geld und handelten mit Unternehmen, die weltweit tätig waren – ähnlich wie Banken heute. 1858 wurde in dieser Familie Karl von der Heydt geboren, um den es jetzt gehen soll.
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Karl von der Heydt absolvierte die Schule und studierte ein paar Jahre, seine Familie brachte ihn jedoch dazu, sein Studium abzubrechen, eine Banklehre zu absolvieren und in das Bankgeschäft einzusteigen. 1881 wurde er einer der zwei Leiter. Bevor er sich mit dem Bankhaus Von der Heydt & Co selbständig machte, war er für eine Bankfiliale in Berlin zuständig. Ein Grund für seinen Umzug nach Berlin: Karl von der Heydt engagierte sich zunehmend in der Kolonialpolitik. Auf Reisen hatte er Carl Peters kennengelernt. Carl Peters war einer der Gründer der „Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft“ und gilt als einer der Mitbegründer der deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika. Er wird auch Hänge-Peters genannt, denn er ging mit äußerster Brutalität gegen die lokale Bevölkerung vor und ließ viele Menschen erhängen.
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Fortan unterstützte der Wuppertaler Karl von der Heydt seinen Bekannten Carl Peters mit der Finanzierung seiner Expeditionen und finanzierte die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft. Kaiser Wilhelm I. war mit einem Beitrag von 500.000 Mark der Hauptaktionär dieser Aktiengesellschaft, während Karl von der Heydt eng dahinter mit einem Einsatz von 400.000 Mark lag. Zeitweilig nahm Karl von der Heydt sogar drei Monate Urlaub, um seine Zeit vollkommen seinem kolonialen Engagement widmen zu können. Zwischen 1907 und 1914 brachte er „Von der Heydt’s Kolonialhandbuch“ heraus. Das war ein Verzeichnis von deutschen Firmen, die in den Kolonien Filialen hatten oder Geschäfte machten.
Wer war Carl Peters? Als Hänge-Peters oder als “blutige Hand” bekannt, ging er mit äußerster Härte gegen die lokale Bevölkerung in Ostafrika vor. Hört hier, wer Carl Peters war und wie er zum Gründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika werden konnte.
Provenienz(forschung) – von der Herkunft der Objekte
Der Namensgeber des Museums ist allerdings nicht Karl von der Heydt, sondern unter anderem Eduard von der Heydt. Er sammelte Kunst und baute am Monte Vérita in der Schweiz ein Hotel auf, welches er als Künstlerkolonie betrieb. Ein Ort, an welchem Künstler*innen zusammenfanden, sich austauschten und arbeiteten. Eduard von der Heydt gilt als umstritten, denn er war auf diverse Weise mit dem Nationalsozialismus verbunden – auch wenn er in dieser Zeit nicht in Deutschland lebte.
Als Kunstsammler kaufte und sammelte Eduard von der Heydt Kunst aus der ganzen Welt. Die europäischen Kunstwerke vermachte er seiner Heimatstadt Wuppertal. Der größte Teil seiner Sammlung außereuropäischer Objekte befindet sich im Museum Rietberg in Zürich. Im Von der Heydt-Museum sind einzelne Objekte außereuropäischer Herkunft und eine Sammlung südostasiatischer Textilien Eduard von der Heydts zu finden. Während seine Verbindungen zum Nationalsozialismus schon seit vielen Jahren erforscht werden, stehen die Recherchen zur Herkunft der außereuropäischen Objekte in Wuppertal noch am Anfang.
Wir müssen davon ausgehen, dass Eduard von der Heydt die Provenienz also die Herkunft seiner gesammelten Werke sowie ihre Funktion und den Kontext aus dem sie stammten, noch nicht in der Weise hinterfragte, wie wir es heute tun.
Dass Kunstwerke aus Kolonien oft geraubt, auf unfaire Weise ertauscht oder erpresst wurden, wird hier nicht thematisiert. Auch wissen wir heute oft nicht mehr, in welchem Zusammenhang Kunstwerke oder rituelle Gegenstände z.B. Masken oder Figuren ursprünglich verwendet wurden. Indem sie nach Europa verschleppt wurden, ging viel Wissen verloren.
Lesetipp
Wenn dich das Thema interessiert, empfehlen wir dir das Buch “Zurückgeben” von Felwine Sarr und Bénédicte Savoy. Die beiden Autor*innen wurden vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron beauftragt, einen “Bericht über die Restitution afrikanischer Kulturgüter” zu verfassen, der 2018 erschien. Der Bericht hat eine ganze Debatte rund um die Restitution von Kulturgütern losgetreten.
Das Buch ist günstig bei der Bundeszentrale für politische Bildung zu bestellen: hier
Weitergedacht…
In dieser Station habt ihr die Rede des französischen Schriftstellers Henri Barbusse gehört. Welche Formen von Ausbeutung beschreibt er? Beobachtet ihr ähnliche Formen von Ausbeutung auch heute noch?
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Ist Antikolonialismus auch heute noch relevant? Warum? Und welche Möglichkeiten kennt ihr, um euch gegen Kolonialismus einzusetzen?